Im Juli 2015 fällte das Oberlandesgericht Hamm ein Urteil, in dessen Folge wohl derzeit jeder abgemahnt werden kann, der bei Amazon verkauft.
Grund ist die sogenannte Empfehlungsfunktion, die bei Amazon fest eingebaut ist und sich nicht abschalten lässt. Die ist laut Auffassung des Gerichts wettbewerbswidrig, weil sie ermöglicht/ermuntert, verbotene Spam-Mails zu verschicken.
Damit kann wohl derzeit jeder Händler jeden Wettbewerber der bei Amazon verkauft, zunächst abmahnen und erforderlichenfalls im Oberlandesgerichtsbezirk Hamm auch erfolgreich verfügen lassen.
Solche Abmahnungen werden/sollten nur solche Händler aussprechen, die selbst nicht bei Amazon verkaufen und auch sonst keine Empfehlungsfunktionen benutzen.
Es bleibt abzuwarten, ob Amazon irgendwann auf diese Rechtsprechung reagiert und die Empfehlungsfunktion zumindest abschaltbar gestaltet. (UPDATE dazu vom 03.02.2016: Dem Vernehmen nach antwortet der Verkäuferservice von Amazon.de derzeit auf Anfragen von Händlern, man habe bei Amazon die Pressemitteilung des OLG Hamm zur Kenntnis genommen, prüfe diese derzeit intern und werde gegebenenfalls weitere Maßnahmen ergreifen.)
P.S.: Was halten Sie von dieser Rechtsprechung (richtig/falsch?) und Ihren Auswirkungen. Ich würde mich freuen, wenn Sie unten eine Frage stellen oder einfach nur Ihren Kommentar hinterlassen.
P.P.S.: Für alle, die mehr Einzelheiten wollen, ist hier der Link zum Volltext der Entscheidung:
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2015/4_U_59_15_Urteil_20150709.html
Die maßgebliche Passage lautet:
„Die Verfügungsbeklagte haftet für die Zusendung der Empfehlungs-E-Mails als Täterin. Auch insoweit ist es ohne Bedeutung, dass der Versand der Empfehlungs-E-Mails letztlich auf die Eingabe der E-Mail-Adresse durch einen Dritten zurückgeht. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Versand der Empfehlungs-E-Mails auf die gerade zu diesem Zweck von der Verfügungsbeklagten genutzte Weiterempfehlungsfunktion zurückgeht und die Verfügungsbeklagte beim Empfänger der Empfehlungs-E-Mail durch den Link auf ihre Angebotsseite als Absenderin erscheint. Der Sinn und Zweck der Weiterleitungsfunktion besteht auch und gerade darin, Dritten (unter Mitwirkung unbekannter weiterer Personen) solchermaßen einen Hinweis auf den Internetauftritt der Verfügungsbeklagten zu übermitteln. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Verfügungsbeklagte den Missbrauch der Empfehlungsfunktion nicht in Kauf nimmt. Denn es ist offensichtlich, dass die Weiterleitungsfunktion gerade dazu benutzt wird, an Dritte Empfehlungs-E-Mails zu versenden, ohne dass Gewissheit darüber besteht, ob sie sich damit einverstanden erklärt haben (Vgl. BGH GRUR 2013, 1159, 1260 – Empfehlungs-E-Mail).“
Übrigens hatte nicht einmal irgend jemand eine solche Empfehlungsmail erhalten, sondern die Anwälte des Abmahners hatten sich selbst eine Testmail geschickt, um zu zeigen, dass allein schon durch das „Zurverfügungstellen“ der Empfehlungsfunktion eine sogenannte Erstbegehungsgefahr bestünde:
„Hinsichtlich des Verfügungsantrags zu 2. ist jedenfalls die für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch erforderliche Erstbegehungsgefahr i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 2 UWG glaubhaft gemacht. Allein mit dem Zurverfügungstellen der in Rede stehenden Weiterempfehlungsfunktion besteht nämlich schon die ernstlich drohende und unmittelbar bevorstehende Gefahr einer erstmaligen Begehung. Denn hiermit hat die Verfügungsbeklagte alles getan, um die Nutzung der Funktion zu ermöglichen und den Versand von E-Mails mit einem weiterführenden Link auf ihr Angebot, und zwar auch ohne Einwilligung des jeweiligen Adressaten auszulösen. Dass ein Versenden von derlei E-Mails auf diesem Wege unproblematisch möglich ist, hat die Verfügungsklägerin mit der Vorlage der Testmail ihrer Prozessbevollmächtigten (Anlage ASt 7) und eines Screenshots der sodann mittels des weiterführenden Links geöffneten Angebotsseite der Verfügungsbeklagten (Anlage ASt 8 ) glaubhaft gemacht. Hiermit sind sämtliche vorbereitenden Maßnahmen getroffen, die einen künftigen Eingriff unmittelbar befürchten lassen und die notwendige Erstbegehungsgefahr begründen (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 8 Rn. 1.23 mwN), auch wenn nicht ausnahmslos jede Weiterempfehlungsmail zum Angebot der Verfügungsbeklagten führen mag.“
Sehr geehrter Herr Kraus,
dieses Urteil trifft auf mich nicht zu. Ich möchte die Gelegenheit allerdings nutzen, um Ihnen mein Dank auszusprechen, für die Informatioen, die Sie kostenlos und uneigennützig zur Verfügung stellen.
Mit freundlichem Gruss
Karlheinz Most
Sehr geehrter Herr Most,
vielen Dank und – na ja – es ist nicht ganz uneigennützig. 🙂
Peter Kraus
Rechtsanwalt
Vielen Dnak für die Info.
Gut wäre zu wissen was es für andere Händler bedeutet? Soll jetzt jede Weiterempfehlungsfunktion von der Homepage verschwinden? (Weiterempfehlung via E-mail, Twitter, Facebook etc.) Man kann ja auf viele unterschiedliche Weisen weiter empfehlen.
Ich finde so eine Rechtsprechung völlig realitätsfern, denn derjenige der etwas empfiehlt macht das ja, weil er jemanden kennt der gerade auf der Suche nach diesem Produkt ist. Oder? Sonst macht das ja keinen Sinn.
Die Weiterempfehlung die ganzen social media sind ja Kern des Internet heute, die Verlinkung, die Verbindung macht ja das Web aus.
Völlig am Gedanken des Internet vorbei, finde ich. Mit dieser Begründung kann man alles verbieten.
Viele Grüße, J. Schmidt, Nürnberg
Sehr geehrte Frau Schmidt,
wenn Sie schreiben „Weiterempfehlung via E-Mail, Twitter, Facebook etc.“ oder „Verlinkung“ meinen Sie damit möglicherweise Sachverhalte, die anders gelagert sind, als im hier diskutierten Urteil. Entschieden wurde dort nur über den Fall, dass ein Dritter (der also bislang kein Käufer ist) eine E-Mail von jemandem bekommt (in diesem Falle von Amazon, ausgelöst durch den Käufer), obwohl er vorher nicht in solche Mails eingewilligt hat. Es geht also nicht um jeden Fall, wo man nur Social-Media-Buttons auf der Website hat, sondern es kommt darauf an, was genau passiert, wenn ein Kunde solche Buttons benutzt.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Kraus
Rechtsanwalt