Tagtäglich verlieren in Deutschland viele Leute ihre Zivilprozesse, weil sie nicht alles beweisen konnten, was zur Begründung ihrer Ansprüche nötig ist. Das ist völlig normal. So sind die Spielregeln.
Nur im bösen Internet ist alles ganz anders: Wenn dort jemand feststellt, dass seine Musik oder sein Film über einen bestimmten Internetanschluss unerlaubt verbreitet wurde, dann muss er – bei einigen Gerichten – nicht wirklich beweisen, dass es tatsächlich der Anschlussinhaber war. Nein, im Gegenteil wird faktisch dem Anschlussinhaber auferlegt, seine Unschuld zu beweisen. Dazu hat man die juristische Konstruktion der „Störerhaftung“ erfunden – ganz so als wäre ein Internetanschluss eine ungesicherte Baugrube: Wie konnte sich der Anschlussinhaber nur so ein gefährliches Ding wie Internet zulegen?! Da hätte er seine Kinder ja gleich mit Dynamitstangen spielen lassen können. Also wirklich.
Das führt dazu, dass es vor diesen Gerichten nicht ausreicht, wenn man die Tat leugnet und aufzeigt, dass noch drei andere Leute den Anschluss benutzt haben. Vielmehr soll man praktisch die Tat aufklären und gegebenenfalls Kinder/Ehegatten/Mitbewohner ausliefern. Es hat sich die Spielregel eingeschliffen: Irgendwer muss es doch gewesen sein, sonst ist der Anschlussinhaber dran; bzw: die lügen doch sowieso nur. Diese Rechtsprechung ist, sagen wir mal, ziemlich „ergebnisorientiert“.
Wohin die „irgendwer muss es doch gewesen sein“-Doktrin führt, sah man nun am Beispiel einer Rentnerin, die tatsächlich im Tatzeitpunkt keinen PC mehr hatte, ja nicht einmal einen Router (der DSL-Vertrag war nur noch in der Restlaufzeit). Das war dem Amtsgericht München egal: Solange die Rentnerin keinen anderen Täter anschleppte, hatte sie erstmal zu haften (siehe oben). Zum Glück ist die Rentnerin in Berufung gegangen und das Landgericht München hat dann das erstinstanzliche Urteil aufgehoben. Die Abmahner haben aber erst vorm Bundesgerichtshof aufgegeben und ihre Revision zurückgenommen. Schade. Der BGH hätte sonst was zum Thema Störerhaftung sagen können.
P.S.: Sie können unten kommentieren.
@Herr Kraus: Nutze die Gelegenheit zu einem Lob:
Unter den zahllosen Newsletters, die im Postfachj landen,
sind Ihre wirklich immer lesenswert !
Fachlich mit Substanz, dabei nicht die „Angstmachkarte“
gespielt, sondern das (leidige) Thema mit einer gewissen Prise Witz und Kreativität genießbar gemacht ! Danke !
Gruß aus Südhessen
Ich schließe mich dem von Herrn Winter an RA Kraus ausgesprochenem Lob gern an, weiter so, Herr Kraus !
Zu fragen wäre nun, ob und wann dieser unsäglichen Abmahnwelle Einhalt geboten werden kann.
Und vor allem, wie !?
Es gibt sicher zahlreiche Fälle von Urheberrechtsverletzungen, die auch zu Recht geahndet werden. Aber seitens der Gerichte einfach ohne größere Nachforschung für den Antragsteller entscheiden, weil es ja so viele „Fälle“ gibt ? Das kann und darf nicht sein.